Kolumne

Monatlich schreibe ich für die Ostfriesen-Zeitung eine Kolumne, die unter der Rubrik „bi karkens“ erscheint. Hier könnt ihr sie lesen:

22. März 2024

Schönes Wochenende !

Wenn man als Pastor nebenberuflich Busse lenkt, kann man ganz schön was erleben. Ich mache das schon seit vielen Jahren. Aktuell übrigens in Leer im Stadtverkehr. Immer nur ein paar Stunden, vorzugsweise am Freitagnachmittag. 

Der Freitagnachmittag hat eine ganz besondere Magie, finde ich zumindest.

Manche Leute freuen sich aufs Wochenende, andere fürchten das Wochenende. Für die einen ist es viel zu kurz, für die anderen dauert es eine Ewigkeit. Als Busfahrer sieht man sie alle. Jung und alt, berufstätig oder nicht, müde oder albern, wohlhabend oder bedürftig.

Sie steigen ein, sie steigen aus und ein kurzes Stück sind wir miteinander unterwegs. Manche haben ein freundliches Wort für den Busfahrer übrig, andere sind so sehr mit sich selbst beschäftigt oder mit ihrem Smartphone, dass sie die Welt um sich herum gar nicht wahrnehmen.

Ja, wenn man als Pastor nebenberuflich Busfahrer ist, kann man ganz schön was erleben. Manchmal ertappe ich mich dabei, wie ich die Fahrgäste leise oder hörbar segne. Vielleicht fragen Sie sich, was das soll? Wenn jemand besonders bedrückt wirkt, dann hoffe ich, dass sein Leben durch diesen Segen etwas tragbarer wird. Mein Segen geht übrigens so: “Schönes Wochenende!”

Wie bitte? Das soll ein Segen sein? 

Das ist natürlich Ansichtssache. Ich verbinde mit diesem Wunsch die Überzeugung, dass Gott die Menschen kennt und liebt. Indem ich ihnen Gutes wünsche, wie z.b ein schönes Wochenende, spreche ich diese liebevolle Zuwendung aus. Den guten Wunsch zum Wochenende mache ich so zum Segen.

Natürlich könnte ich auch sagen “Gott segne Sie!” Aber ich vermute, dass dies manche Menschen mehr irritieren als aufbauen könnte. Schade eigentlich, aber wahr. Oder sollte ich mutiger sein? Mutiger von Gott und seiner Liebe sprechen, in einer Welt, die manchmal so gottverlassen wirkt?

Wenn man als Pastor nebenberuflich Bus fährt, kann man ganz schön was erleben.

Schönes Wochenende!

23. Februar 2024

Frieden schaffen ohne Waffen

Mit relativ langen Haaren, Latzhose und diesem griffigen Slogan zogen meine Freunde und ich in den 80er Jahren von Demo zu Demo. Ich lebte damals in Bonn, der damaligen Bundeshauptstadt. Die Regierungen plädierten dafür, im Rahmen des sogenannten NATO-Doppelbeschlusses, die Waffenarsenale zur Abschreckung deutlich auszuweiten.

Seinerzeit lebte meine Großmutter noch. Sie hatte zwei Brüder und zwei Schwestern. Die Männer der Schwestern verloren im Krieg ihr Leben. Ein Bruder kehrte nach Jahren der Gefangenschaft als gebrochener Mann zurück. Der andere Bruder war nie im Krieg gewesen, weil er als Ingenieur für den Nachschub zuständig war. Er, der als einziger Mann der Familie unversehrt blieb, weigerte sich im hohen Alter, eine Operation durchführen zu lassen, weil er Sorge hatte, dass er dabei Blutkonserven von irgendwelchen Ausländern bekommen könnte. Die Familie schwieg übrigens, wenn er solche Bemerkungen bei Kaffee und Kuchen machte. Auch ich sagte nichts und dafür schäme ich mich bis heute.

Meine Großmutter sagte immer, dass es zur Gewaltlosigkeit keine Alternative gäbe. Sie sei keine Heldin gewesen, aber trotzdem würde sie lieber sterben als töten. Genau das hat Jesus vorgelebt, als er seine Gegner nicht vernichtet hat, sondern sich ihnen auslieferte.
An vielen Stellen biegen wir uns heute Jesu Botschaft so zurecht, dass sie in unsere erneute Aufrüstungsdebatte passt.
Genau wie meine Großmutter, bin auch ich kein Held. Aber ich flehe die Mächtigen der Welt im Namen Jesu an: Legt die Waffen nieder!

Es ist vier Jahrzehnte her, seit ich für den Frieden demonstrierte. Natürlich weiß ich, wie einfach es ist, sich im derzeit sicheren Deutschland für ein “Frieden schaffen ohne Waffen” einzusetzen. Die Weltlage ist kompliziert und ich bin kein Experte. Wenn Jesus sagt, dass wir unsere Feinde lieben sollen und denen Gutes tun, die uns hassen, dann ist das kein Satz aus einem Wellnesskurs der Volkshochschule, sondern vermutlich der einzige Weg, wie die Menschheit noch zu retten ist.

02. Februar 2024

Es ist schon gesät

„Eine große Tüte Sonnenblumenkerne schaffe ich mir noch an. Und wo die Gegend öder als öde ist, verstreu ich sie dann. Es wachsen lauter duftende Sonnen langsam heran, zwischen den Klötzern und Mauern dann irgendwann.“ So sang der von mir geschätzte Gerhard Schöne schon im Jahr 1989! Das war vor dem Mauerfall. Gerhard Schöne kommt aus Coswig bei Dresden und ich bin sicher, er hat mit seinen Liedern maßgeblich zum Fall der Mauer beigetragen! Er gastiert am 10. März in Oldenburg im Theaterlaboratorium. Es gibt für dieses Konzert sogar noch Karten! Ich werde in der ersten Reihe sitzen. Gerhard Schöne ist zauberhaft, warmherzig und sehr begabt. Er ist eine Art Gottesbote und hat mir schon oft geholfen. Und wie ist es nun mit den Sonnenblumenkernen? Wir Menschen fragen uns: Wird der Samen Erde finden? Wird es regnen? Wird die Sonne draufscheinen? Was soll aus der Welt werden? Was aus den Kindern? Fallen auch Samen der Hoffnung in den Schnee in der Ostukraine oder den Staub in Gaza? Fallen Samen dahin, wo wir denken: Da wächst überhaupt nichts mehr. Nie mehr. In den Todeszonen und Ruinen. Da, wo der Boden steinhart und vergiftet ist? Kann und vor allem wird dort geschehen, womit keiner mehr gerechnet hat: Güte, Frieden, Hoffnung? Ach, ich wünschte es so sehr. Wir wollen nicht nachlassen, daran zu glauben, dass Gottes Reich schon hier beginnt. Dass der Samen dafür schon da ist!  „Eine schöne Flaschenpost will ich bauen und werfe sie ins Meer. Vielleicht, wenn ich schon gar nicht mehr lebe, dann findet sie wer. Auf dem Papier, das er dann entfaltet, sage ich ihm: Lass dir die Träume nicht nehmen, God bless your dream!“ Ich will von einer friedlichen Welt träumen und Dich dazu ermutigen, das auch zu tun. „Ein kleines Flugzeug will ich noch falten, ich hab schon geübt. Auf seine Flügel schreib ich die Botschaft: Gut, dass es dich gibt! Im Kaufhaus lasse ich es dann fliegen, voll ins Gewühl. Nach einer lässigen Runde findet’s ein Ziel.“ Danke Gerhard Schöne!

Ende Dezember 2023

Zwischen den Jahren

Ich mag diese Bezeichnung für die Tage zwischen Weihnachten und Neujahr. Das alte Jahr ist fast vorbei und das neue ist noch nicht da. Die Tage kommen mir länger vor und die Uhren ticken anders. Überall noch Weihnachtsdeko und die wurzellosen Weihnachtsbäume sehen ihrem Ende entgegen. Das Baby Jesus, den die Christen Erlöser nennen und Heiland, wäre nach heutigen Kriterien auf Geburtsstationen inzwischen soweit, dass er nach Hause gehen könnte.

Natürlich nur, wenn alles gut ist. Es ist aber nicht alles gut. Weder damals noch heute zwischen den Jahren. Aus Angst, dass der kleine Jesus jemand ist, der dem herrschenden König Herodes gefährlich werden könnte, lässt dieser den Mord an allen Erstgeborenen befehlen. Gedanken kommen mir unsortiert in den Sinn: Befehle zum Töten ergehen in diesen Tagen zigtausendfach. Das Töten im Krieg sei kein Morden, erklären die Militärs und hüben wie drüben, fragen sich junge Menschen, wofür sie kämpfen und wofür sie sterben. Nur manche finden eine ethisch vertretbare Antwort. 

Das Licht der Heiligen Nacht hat es schwer zwischen den Jahren. Auch im Kleinen.

In einem Gedränge am zweiten Feiertag stößt ein junger Mann versehentlich einen älteren an. Der ältere beschimpft ihn, als gäbe es kein Morgen mehr. Menschen kleben sich auf der Straße fest. Sie ernten dafür wütende Proteste und wenig Verständnis. Andere Menschen blockieren mit ihren Landmaschinen Kreuzungen und kippen Mist auf der Straße ab. Sie ernten dafür Beifall und viel Verständnis.

Ich sehe das alles und höre die biblische Losung für 2024: “Alles was ihr tut, geschehe in Liebe.” Das steht im ersten Brief des Paulus an die Korinther. Immer diese Christen mit ihrer naiven Gutgläubigkeit. Wo kämen wir denn da hin?

Meine Gedanken gehen wieder zum Kind in der Krippe. Zu dem, der Liebe bedingungslos gelebt hat. Statt zurückzuschlagen, ließ der gutgläubige Heiland sich ans Kreuz nageln.

Alles was ihr tut, geschehe in Liebe? Was haben wir damit zu tun? Zwischen den Jahren?

Anfang Dezember 2023

Ein heruntergekommener Gott?

Beim Discounter liegen noch ein paar inzwischen etwas vertrocknete Exemplare: Für unter 10 Euro kann man bei uns schon einen Adventskranz bekommen. So richtig schick sehen die ehrlich gesagt nicht aus. Ich musste gestern seufzen, als ich sie sah. Sonntag zünden viele die erste Kerze an. Advent kommt aus dem Lateinischen und heißt Ankunft. Vor der Ankunft steht das Warten. Das Unterwegssein. In diesen Tagen sind wir  gefragt, von der Ankunft Gottes in dieser Welt zu sprechen. Ich fühle mich manchmal wie gelähmt zwischen den Bildern von Not, Terror und Krieg. Das geht vielen Menschen so. Es ist zum Seufzen. Wir könnten  natürlich einfach wegsehen und ein oder zwei Glühweine mehr trinken, um die Dunkelheit in der Welt besser aushalten zu können. Sich an den kleinen Hoffnungsschimmern zu erfreuen, ist nämlich gar nicht so einfach, oder? Sie scheinen ziemlich schwach. Mir ist das Seufzen im Moment näher als das Jubeln. Jubeln, weil Gott als Baby in die Welt kommt? Es heißt, er kennt die Welt genau und weiß, worauf er sich einlässt. Schließlich ist Gott ja nicht naiv oder dumm. Wer sich so ausliefert wie Gott, der kennt sich mit Leid und Not aus. Auch mit meiner kleinen Not, wenn ich mehr seufzen als jubeln muss? Ich atme tief ein und warte auf Gottes Ankunft. Er ist unterwegs, genau wie wir. Ich persönlich finde die Vorstellung, dass er uns erlösen will hervorragend. Erlösung ist das Tor zu Frieden und Freiheit. Erlösung für uns und alle anderen Menschenkinder. Das Kind, in dem Gott Mensch wird, heißt Jesus und auch Friedefürst. Gewaltlos ging er bis ans Kreuz und sagte: „Ich will lieber sterben, als töten.“ Wie schwer ist es, diesem Jesus nachzufolgen. Der Stall von Betlehem ist in Gefahr. Das war er immer, aber heute sind wir gefragt, vom Advent zu sprechen. Advent heißt Ankunft. Gott kommt herunter in unser Leben! Ein heruntergekommener Gott? Ja, irgendwie schon. Mit uns auf Augenhöhe. Aus meinem Seufzen wird ein Durchatmen!

November 2023:

Feritagslaune

Dienstag war Reformationstag. Den nehmen nicht nur die Christen gerne als freien Tag an. Und nutzen ihn in als freie Bürger wofür sie wollen. Als der 31.10. im Jahr 2018 Feiertag wurde, habe ich gestaunt. Wieder ein christlicher Feiertag, bei dem viele Menschen nicht wissen, warum es ihn gibt. Und ich erkläre es jetzt übrigens auch nicht, das können andere Pastoren besser. Statt von Reformen zu reden oder die evangelische Kirche zu feiern, möchte ich heute lieber mal etwas über den Glauben schreiben, denn so richtig in Feiertagslaune war ich Dienstag nicht: „Gott allein breitet den Himmel aus und geht auf den Wogen des Meeres. Er macht den Großen Wagen am Himmel und den Orion und das Siebengestirn und die Sterne des Südens.“ (Hiob 9,8-9). Das ist der biblische Monatsspruch für den November. In einer Welt voller Leid sagt diesen Satz einer, der sich mit Leiden auskennt. Er heißt Hiob und es gibt über ihn ein ganzes Buch voller Leid in der Bibel. Trotz aller Verzweiflung hält er an seinem Glauben fest. Im November 2023 scheint die Not in der Welt übermächtig zu sein. Und damit meine ich nicht nur Kriege, Katastrophen und Armut. Not ist ja immer sehr individuell und kann auch Reiche treffen. Wenn ich, wie Hiob, am Himmel den großen Wagen sehe, dann ahne ich, dass Gott doch immer größer ist als die Verzweiflung. Diese Erkenntnis ist übrigens nichts typisch Christliches. Wenn Menschen erkennen, dass es etwas liebevoll Größeres gibt als sie selbst, kann das der Schlüssel zum Frieden sein. Übrigens: Mitten in die Not der Welt, legte mir unsere älteste Tochter neulich ein Ultraschallbild auf den Kuchenteller. Ich habe geheult und bin völlig ausgeflippt vor lauter Freude, dass ich nun also Opa werde. Ein Kind mehr in eine Welt voller Leid? Ein Kind mehr, dessen Zukunft wir nicht kennen? Ich will daran glauben, dass es Hoffnung gibt. Hoffnung für Christen, Juden, Muslime und alle anderen, die gerade Geburten feiern oder ihre Kinder zu Grabe tragen. Nicht nur am Feiertag.

Oktober 2023:

Ob es uns passt oder nicht!

Seit ich als Kind eine monatelange Antibiotika-Therapie bekam, habe ich total schlechte Zähne. Sie sind schief und krumm und alles andere als strahlend weiß. Am liebsten würde ich nie den Mund aufmachen, aber das ist als Pastor schwierig. Ich versuche aber zumindest beim Lächeln, den Mund geschlossen zu halten. Wenn ich in Gedanken oder total ausgelassen bin, dann geht mein Mund aber trotzdem auf und ich lache. Wenn ich mich dann auf einem Foto sehe, schäme ich mich.

Ich habe schon oft darüber nachgedacht, mir für viel Geld die Zähne machen zu lassen. Damit wir uns nicht falsch verstehen: Ich habe ein gesundes und saniertes Gebiss. Ich gehe regelmäßig zum Zahnarzt und der sagt immer: „Herr Kaminski, es sind ihre echten Zähne. Vielleicht nicht schön, aber einzigartig. Falsche Zähne kann sich jeder machen lassen.“

Das stimmt natürlich nicht. Denn schöne falsche Zähne kann man sich nur machen lassen, wenn man sehr viel Geld auf den Tisch legt. Dass der Zahnarzt mich aber daran erinnerte, dass ich einzigartig bin, hat mir sehr gefallen. Das war ja fast wie eine kleine Predigt.

Zähne sind ein total sensibles Thema. Ob der Vorsitzende der CDU das bedacht hat, als er behauptete, dass abgelehnte Asylbewerber sich die Zähne machen lassen, während die Bundesbürger keinen Zahnarzttermin bekommen?

Geflüchtete haben oft furchtbar schlechte Zähne. Und wer schon mal Zahnschmerzen hatte, der weiß wie wichtig es ist, dass diese nachlassen und möglichst nicht wiederkommen.

Wenn Menschen polarisieren nutzen Sie ganz oft die Begriffe „die da“ und „wir hier“.

Das machen übrigens Vertreter aller politischen Lager und manchmal sogar Vertreter der christlichen Kirchen und anderer Religionen.

Anfang Oktober ist immer Erntedank. Ich bin sehr dankbar dafür, dass ich zu einem Zahnarzt gehen kann. Und ich bin dankbar dafür, dass Gott jede und jeden von uns in seiner Einzigartigkeit kennt und liebt. Ob uns das passt oder nicht: Gott liebt immer auch „das andere“.

September 2023:

Im Sommer sind sie am besten!

Gestern an der Kasse. Mit einer fast andächtigen Handbewegung lege ich eine Packung Lebkuchen auf das Band. Es ist Spätsommer und ich empfinde eine Mischung aus kindlicher Vorfreude und jugendlichem Tatendrang, zu der sich meine doch inzwischen beträchtliche Lebenserfahrung in Form von mildem Lächeln gesellt. Vor mir steht eine Frau, bei der ich einen Hauch Kopfschütteln wahrnehme. „Die essen Sie doch nicht wirklich jetzt schon, oder?“ fragt plötzlich ein rüstiger Rentner hinter mir. „Ja, was glauben Sie denn“, antwortet die Frau für mich und ich sehe mich mit den Schultern zucken. Ja, was glaubt er denn? Natürlich esse ich sie, denn im Sommer sind sie am besten. Frisch ab Werk und noch lange haltbar, mit einem Aroma, welches die Lebkuchen im Dezember schon nicht mehr haben. Ich kenne mich aus! Und ich frage mich gleichzeitig, was der Mann hinter mir glaubt. Schließlich war das ja die Frage. Was glaubt er denn? Ist es ein religiöses Statement, wenn man Lebkuchen erst im Dezember isst? Oder Teil eines spirituellen Weges? Ist es gar eine Art Blasphemie, wenn man sie schon im September kauft, bereits auf dem Parkplatz die Verpackung öffnet und einen im Gehen verspeist? Was glauben Sie denn?

Es gibt eine Aktion der Kirchen, die „Advent ist im Dezember“ heißt und uns wohl daran erinnern soll, die Feste zu feiern, wie sie fallen. Ich habe wirklich schon darüber nachgedacht, vor dem ersten Dezember keine Lebkuchen zu kaufen. Dann stand aber eine Kanutour im Spätsommer an und ich kaufte mehrere Packungen, um mit der paddelnden Schar ein ganz besonderes Picknick machen zu können. Als ich die Lebkuchen auspackte, waren wir alle mitten im Thema. Woran glauben wir?

Für mich hat Glaube etwas befreiendes. Er gibt meinem Leben Halt und einen Rahmen. Belehrungen, wann ich Lebkuchen kaufen darf und wann nicht, finde ich ein bisschen komisch. Ich wünsche mir eher das Gespräch mit meinen Mitmenschen über Sinn und Unsinn, Hoffnung und Angst, Mut und Ohnmacht. Ich glaube an Gott. Und der lässt sich nicht in Kampagnen sperren, sondern ist ein Menschenfreund voller Geheimnisse. Wussten Sie übrigens, dass die Ägypter den Lebkuchen erfunden haben? Und das schon 350 vor Christus!

August 2023:

Notbetreuung

Völlig altmodisch habe ich mir am Montag die Zeitung in Papierform besorgt. Ich kaufte mir noch ein Rosinenbrötchen und verneinte an der Kasse die Frage, ob ich Treuepunkte sammele. In einer Regenpause setzte ich mich auf eine Bank und  las von den Aufräumarbeiten in Slowenien. „Schon wieder so viel Wasser und gleichzeitig anderswo Dürre“, dachte ich. So viele Menschen in Not! Ich schaute auf und mein Bick fiel auf das menschenleere Außengelände der Kindertagesstätte. Da war noch Sommerpause.

Ich erinnerte mich an eine Begegnung vor ein paar Wochen auf einem Spielplatz um die Ecke. Gestresste Eltern sprachen über die Notbetreuung in der Kita. Die Sonne schien und gegenüber war der Supermarkt, in dem man Treuepunkte sammeln konnte. Zwei schimpften: „Schon wieder Notbetreuung! Ich möchte mal wissen, wie die sich das vorstellen. Wo für zahlen wir eigentlich Steuern?“ Einer ergänzte: „Viel zu wenig Fachkräfte und die die da sind, sind dauernd krank!“

Ich erinnerte mich an die Zeit, als unsere Kinder klein waren. Ob es damals vielleicht einfacher war? Als ich vor vielen Jahren einmal ziemlich gestresst war, weil es keine Notbetreuung gab, stand auf einem Abreißkalender in der Küche das Folgende: Es ist Frieden. Wir leiden keinen Hunger. Es droht keine Verhaftung.

Mich hat das damals beruhigt. Ob diese drei Gedanken die gestressten Eltern heute auch beruhigen könnten?  Als ich so grübelte, schob eine Großmutter ihr schlafendes Enkelkind an mir vorbei und summte dazu ein Lied. Sie summte trotz Dürre, Überschwemmungen, Krieg und willkürlichen Verhaftungen. Ich legte die OZ kurz weg und faltete ganz dezent meine Hände. Ich betete still für die Söhne und Töchter, die Eltern und Großeltern, dafür, dass sie zusammenhalten und Verantwortung übernehmen konnten. Ich betete für die kranken und für die gesunden Fachkräfte und wünschte ihnen einen langen Atem und viel Kraft. Als ich Amen geflüstert hatte, entfaltete ich Hände und Zeitung und las von den ganzen Dingen und Orten, für die ich an diesem Montag noch nicht gebetet hatte. Aber Morgen war ja ein neuer Tag!