Willkommen in meinem digitalen Bauchladen

Mein Zirkus

Ein mir zugeschicktes Video zu einem Polizeieinsatz war der Impuls für dieses Lied. Das Lied gibt keine Antwort auf die Frage, ob es früher besser war. Es dauert 9 Minuten, so lange wie keines meiner anderen Lieder. Viel zu lang, um erfolgreich zu sein.

Im Sommer sind sie am besten!

Einmal im Monat schreibe ich eine Kolumne für die OZ (Ostfriesen-Zeitung). Hier ist die Septemberausgabe:

Gestern an der Kasse. Mit einer fast andächtigen Handbewegung lege ich eine Packung Lebkuchen auf das Band. Es ist Spätsommer und ich empfinde eine Mischung aus kindlicher Vorfreude und jugendlichem Tatendrang, zu der sich meine doch inzwischen beträchtliche Lebenserfahrung in Form von mildem Lächeln gesellt. Vor mir steht eine Frau, bei der ich einen Hauch Kopfschütteln wahrnehme. „Die essen Sie doch nicht wirklich jetzt schon, oder?“ fragt plötzlich ein rüstiger Rentner hinter mir. „Ja, was glauben Sie denn“, antwortet die Frau für mich und ich sehe mich mit den Schultern zucken. Ja, was glaubt er denn? Natürlich esse ich sie, denn im Sommer sind sie am besten. Frisch ab Werk und noch lange haltbar, mit einem Aroma, welches die Lebkuchen im Dezember schon nicht mehr haben. Ich kenne mich aus! Und ich frage mich gleichzeitig, was der Mann hinter mir glaubt. Schließlich war das ja die Frage. Was glaubt er denn? Ist es ein religiöses Statement, wenn man Lebkuchen erst im Dezember isst? Oder Teil eines spirituellen Weges? Ist es gar eine Art Blasphemie, wenn man sie schon im September kauft, bereits auf dem Parkplatz die Verpackung öffnet und einen im Gehen verspeist? Was glauben Sie denn?

Es gibt eine Aktion der Kirchen, die „Advent ist im Dezember“ heißt und uns wohl daran erinnern soll, die Feste zu feiern, wie sie fallen. Ich habe wirklich schon darüber nachgedacht, vor dem ersten Dezember keine Lebkuchen zu kaufen. Dann stand aber eine Kanutour im Spätsommer an und ich kaufte mehrere Packungen, um mit der paddelnden Schar ein ganz besonderes Picknick machen zu können. Als ich die Lebkuchen auspackte, waren wir alle mitten im Thema. Woran glauben wir?

Für mich hat Glaube etwas befreiendes. Er gibt meinem Leben Halt und einen Rahmen. Belehrungen, wann ich Lebkuchen kaufen darf und wann nicht, finde ich ein bisschen komisch. Ich wünsche mir eher das Gespräch mit meinen Mitmenschen über Sinn und Unsinn, Hoffnung und Angst, Mut und Ohnmacht. Ich glaube an Gott. Und der lässt sich nicht in Kampagnen sperren, sondern ist ein Menschenfreund voller Geheimnisse. Wussten Sie übrigens, dass die Ägypter den Lebkuchen erfunden haben? Und das schon 350 vor Christus!

Liebet Eure Feinde?

Vor einigen Tagen schickte mir eine Freundin ein Video zu. Zu sehen war eine Mutter, deren Sohn Emmett Till vor Jahrzehnten von mehreren Männern brutal misshandelt und dann ermordet worden war. Mrs. Till (Bild unten) war inzwischen 81 Jahre alt und sprach über die Lehren, die sie persönlich aus dieser Tragödie gezogen hatte.

Sie sprach über ihren Glauben. Was sie sagte, hat mich tief bewegt. Gott habe ihr gesagt, dass sie die Täter nicht hassen solle. Sein sei die Rache. Sie solle viel mehr dafür sorgen, dass junge Menschen nicht Hass, sondern Liebe lernten.

Von dieser alten, relativ kleinen Frau ging eine Milde aus, die mich sehr beeindruckte. Gleichzeitig schien sie unbesiegbar zu sein. Als sie darüber sprach, dass die Mörder ihres Sohnes keine Reue gezeigt hätten, war keine Bitterkeit in ihrer Stimme. Sie wirkte gelassen und sagte, dass nicht sie für die Begleichung der Schuld sorgen müsse. Dies würde Gott erledigen. Sie hatte es ganz offensichtlich geschafft. Sie hatte geschafft, was Jesus den Menschen ans Herz legte: Liebt eure Feinde!

Diese Liebe verringert nicht den Schmerz, den diese Mutter bis heute empfindet. Sie macht kein Leid der Welt kleiner. Aber offensichtlich, hat diese Liebe verhindert, dass das Herz der Mutter selbst durch Hass Schaden nahm.

Vor knapp drei Jahren wurde Christian, ein junger Mann aus meiner alten Gemeinde von einem anderen jungen Mann ermordet. Trotz größtem Schmerz, sagte auch in diesem Fall die Mutter des Ermordeten, dass sie unendliche Trauer empfinde, aber keinen Hass.

Wie ist das nur möglich? Ist es nicht fast zwangsläufig, dass man hasst und Vergeltung fordert, wenn so etwas schreckliches geschehen ist? Schlag und Gegenschlag? Angriff und Verteidigung?

Als ganz am Anfang der Bibel, Kain seinen Bruder Abel erschlägt, fragt Gott:

„Kain, wo ist dein Bruder Abel?“

Und Kain fragt zurück:

„Soll ich meines Bruders Hüter sein?“

Ja, Kain. Du sollst deines Menschenbruders Hüter sein! Du sollst nicht töten und niemanden quälen. Emmet, Christian, Abel. Manchmal wünschte ich, die drei hätten sich verteidigen können. Und dann erinnere ich mich an Jesus am Kreuz.

Er hat sich nicht verteidigt, nicht gewehrt – und uns damit etwas gezeigt.